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„Im Plattenbau zu leben, war in der DDR kein Stigma“

Christian Thoelke malt Bilder von DDR-Neubauvierteln. Seine Mutter Bärbel entwirft Meissner Porzellan und sagt im Doppelinterview: „Der Westen will uns immer noch erklären, wie wir gelebt haben“. Ein Interview.

Bärbel Thoelke war die bekannteste Porzellangestalterin der DDR. Ihr Sohn Christian Thoelke erlebt mit seinen Gemälden von verlassenen DDR-Neubauvierteln gerade seinen Durchbruch. Zum ersten Mal geben diebeiden ein Interview zusammen, in der Wohnung der Familie am Bürgerpark in Berlin-Pankow, in der Bärbel Thoelke auch ihr Studio hat. Mit 87 arbeitet sie immer noch. Der Mann von Bärbel Thoelke hat Käsekuchen gebacken.

Herr Thoelke, in gleich zwei Ausstellungen in Berlin und Potsdam werden jetzt Ihre Bilder gezeigt. Warum ausgerechnet Plattenbauten?

Christian Thoelke: Weil sie für Entwicklungen in Ostdeutschland seit den 90er-Jahren stehen. Moderne Gebäude, die leer stehen und von der Natur überwuchert werden. Ein Zeichen dafür,dass etwas Unplanmäßiges vorgefallen ist.

Haben Sie auch selbst mal im Plattenbau gewohnt?

Christian Thoelke: Nein, nie. Ich habe aber trotzdem eine Beziehung dazu, da ein Teil meiner Familie in solchen Wohnungen gelebt hat, und auch Freunde von mir. Es gab einen dramatischen Mangel an Wohnraum, und die Leute waren glücklich, wenn sie eine dieser hellen Wohnungen mit Warmwasser und Zentralheizung ergattern konnten. Man hat jemanden, der aus dem Neubaugebiet kam, nicht anders angeschaut als jemanden, der in einem Altbau wohnte. Dass dann nach der Wende eine Abwertung stattgefunden hat, fühlte sich falsch an.

Und auf diese Abwertung wollen Sie aufmerksam machen?

Christian Thoelke: Ja, denn sie geht einher mit einer Veränderung, die Städte und noch vielmehr der ländliche Raum erfahren haben, durch das Plattmachen ganzer Industrieregionen in den 90ern. Die Menschen gehen weg, die Häuser stehen leer. Das sind keine Entwicklungen, die sich ohne weiteres korrigieren lassen. Die Leute fehlen einfach, und das ist etwas, was Westdeutsche oft nur schwer nachvollziehen können, da sie diese Erfahrung in dieser Drastik nicht gemacht haben, wenngleich der Strukturwandel ja auch dort zu beobachten ist.

Bärbel Thoelke: Im Plattenbau zu wohnen, war in der DDR kein Stigma. Erst später war es ein Instrument, um zu sagen, alles war Schiete. Die Menschen, die dort lebten, wurden in den Medien oft vorgeführt. Das empfand ich als sehr unangenehm, auch wenn man es selbst nicht direkt erfahren hat.

Frau Thoelke, Sie haben in der DDR wunderbar schlichtes, elegantes Porzellan entworfen, aber auch die einzigartige Brüstung der Terrasse vom Café Schönbrunn im Volkspark Friedrichshain gestaltet. Wie kam es dazu?

Bärbel Thoelke: Christian war schon dabei, in meinem Bauch. Ich bekam den Auftrag von den für das Café verantwortlichen Architekten. Kunst am Bau war ein wichtiges Standbein für freiberufliche Künstler. Zum Glück haben die neuen Besitzer meine Terrassenbalustrade erhalten. Denn leider sind nach 1990 viele andere dieser Werke abgebaut oder sogar zerstört worden.

Wie kommt es, dass Sie beide Künstler geworden sind, erst die Mutter, dann der Sohn?

Bärbel Thoelke: Ich komme aus einer Handwerkerfamilie und wusste gar nicht, was ich machen sollte. Es gab viel Kummer und Tränen, weil ich erst nicht zur Oberschule durfte.

Warum durften Sie nicht?

Bärbel Thoelke: Weil meine Eltern Handwerker und keine Arbeiter waren. Sie hatten eine Werkstatt für Autoelektrik in Stralsund. Aber nach dem 17. Juni 1953 wurden die Regeln gelockert und ich konnte dann doch Abitur machen, bin danach auf Empfehlung des Malers Tom Beyer aus Stralsund für ein Jahr in die Töpferwerkstatt von Arnold Klünder nach Ahrenshoop gekommen.

Wo die Fischlandkeramik herkommt?

Bärbel Thoelke: Die kommt aus einer anderen Werkstatt. Aber das war eins meiner schönsten Jahre. Wem ich da alles begegnet bin! Ich wollte aber auf gar keinen Fall Scheibentöpfer werden.

Warum nicht?

Bärbel Thoelke: Man ist so schnell fertig. Die Scheibe dreht sich, man klatscht den Tonklumpen drauf, zieht ihn mit den nassen Händen hoch, schneidet das Gefäß mit dem Draht ab, fertig. Ich sitze lieber lange an Gipsmodellen, an Linien, Rändern, Henkeln.

Wie war das mit Ihnen und der Kunst, Herr Thoelke?

Christian Thoelke: Ich habe mich nie bewusst dafür entschieden, aber ich habe als Kind in der Werkstatt meiner Mutter Dinge aus Ton geformt, war später in Kunstzirkeln, die es im Osten gab und habe mich dann in Weißensee an der Kunsthochschule beworben, die mich gleich angenommen hat.

Bärbel Thoelke: Wenn ich ihn gefragt habe, willst du das auch mal machen, was ich hier mache, hat er gesagt: Nee, keene Töppe. Tiere wollte er formen.

Was war Christian für ein Kind?

Bärbel Thoelke: Ich war selig, dass ich ihn hatte. Ich hatte vorher zwei Fehlgeburten. Aber er war kein schwieriges Kind, nein.

Christian Thoelke: Meine Schwester und ich haben ein sehr inniges Verhältnis zu unseren Eltern und das große Glück, dass die beiden sich auch so gut verstehen.

Was verbindet Sie beide künstlerisch?

Christian Thoelke: Die Auffassung. Wenn man mich nach meinem künstlerischen Vorbild fragt, würde ich immer meine Mutter nennen. Seit ich ganz klein war, habe ich diese Hingabe, diese Leidenschaft, das Interesse an der eigenen Arbeit bei ihr beobachtet. Das hat mich sehr geprägt. Und sie ist ein absoluter Perfektionist, bis ins Letzte. Ich bin da vielleicht nicht ganz so extrem.

Bärbel Thoelke: Na, sei mal still!

Christian Thoelke: Okay, ich kann vielleicht auch nicht sagen: Ach, ich lass das jetzt so, passt schon. Ich versuche schon, es so weit zu treiben, bis ich denke, mehr geht jetzt nicht.

Sie haben in den Neunzigern in Weißensee studiert, wie Ihre Mutter in den Sechzigern. Wie war das?

Christian Thoelke: Ich habe mal eine Mappe meiner Mutter gefunden aus ihrem Grundlagenstudium. So gute Zeichnungen habe ich nie zustande gekriegt. Man muss schon sagen, dass sie die Leute im Osten sehr gut handwerklich ausgebildet haben. Mein Studium in den Neunzigern war zwar von allem ideologischen Ballast befreit, dennoch habe ich es als sehr verschult und langweilig empfunden. Was vielleicht aber mehr daran lag, dass ich damals Anfang 20 war und das Nachtleben der Berliner Clubs viel interessanter fand. Auch hatten viele der Professoren schon an dieser Kunsthochschule studiert, waren nie draußen und konnten uns keine Vorstellung vermitteln, wie es danach weitergeht.

Gab es damals nicht schon Westprofessoren an der Hochschule?

Christian Thoelke: Ja, klar, aber das waren auch meist nicht die großen Namen.

Gab es Spannungen zwischen Ost- und Westdeutschen?

Christian Thoelke: Zum Anfang nicht, da waren die Studenten noch sehr aneinander interessiert, und die wenigen Westdeutschen, die es gab, haben sich ja bewusst für eine Hochschule in Ost-Berlin entschieden. Die hatten Fragen, und da sind auch viele Freundschaften entstanden. Erst später, Ende der 90er, ist das gekippt, als es so viele Studenten aus Westdeutschland waren, dass diese eher unter sich geblieben sind. Dann hat eine gewisse Entfremdung eingesetzt.

Gab es für Sie nach dem Ende der DDR einen Bruch, Frau Thoelke? 1996 haben Sie in einem Fernsehinterview gesagt: Künstler würden Sie heute nicht mehr werden.

Bärbel Thoelke: Mit dem Mauerfall fiel der staatliche Kunsthandel weg, die Aufträge brachen ein. 1998 hatte ich eine große Ausstellung im Grassi-Museum in Leipzig, da hat sich die Situation entspannt. Aber vorher war eben diese große Unsicherheit.

Christian Thoelke: In den 80er-Jahren haben uns die Leute beim Fest an der Panke die Sachen meiner Mutter aus den Händen gerissen. Keramik war extrem populär. Freunde meiner Eltern haben zeitweise in ihrer Werkstatt gearbeitet, teilweise Akademiker. Töpfer oder Keramiker war einer der Aussteigerberufe schlechthin.

Bärbel Thoelke: Ein richtiger Aussteigerberuf, ja.

Christian Thoelke: Die wollten lieber unabhängig sein, sozusagen lieber freidrehen, als eine feste Anstellung haben.

Keramik war total angesagt in der DDR. Wie kam das?

Bärbel Thoelke: Es gab einerseits einen großen Bedarf und andererseits konntest du mit deiner Hände Arbeit etwas fertigen, dich auf den Markt stellen und verkaufen. Es war nicht besonders gern gesehen, aber es ging, und viele Kollegen sind so über die Runden gekommen.

Christian Thoelke: Man muss dazu sagen, dass mein Vater in der Zentralstelle für Diabetes gearbeitet hat und nach der Wende in die Senatsverwaltung für Gesundheit übernommen wurde. Dadurch konnte Bärbel ohne finanziellen Druck überhaupt freiberuflich weiterarbeiten. Wenn beide Künstler waren, war das viel schwerer.

Bärbel Thoelke: Bis zum Mauerfall habe ich ein bis zweimal im Jahr eine Kollektion für den Staatlichen Kunsthandel gemacht. Die war am ersten Tag verkauft, so komisch das klingt. Nach der Wende gab es Geschirr auf einmal überall ganz billig, bei Ikea oder so.

Gab es in der Bundesrepublik einen anderen Geschmack? Sah das Geschirr anders aus?

Bärbel Thoelke: Im Westen war man mehr kundenabhängig, hat schneller auf modische Einflüsse reagiert. Bei uns in der DDR hat das Amt für Formgestaltung Prädikate verteilt. Ich habe mir mal bei meinem Werkleiter eine Abfuhr geholt, weil ich ihn gebeten habe, bei den Dekorleuten vorstellig zu werden. Die hatten Gemüse auf das Geschirr gemalt, Paprikaschoten und all so ein Zeug. Da hat er mich milde angelächelt und gesagt: Du musst es nicht verkaufen, sondern ich. Das Porzellanwerk Freiberg hat einmal ein Service von mir abgelehnt, weil die Form angeblich zu modern war.

Wie war es dann für Sie, Herr Thoelke, nach dem Studium als Maler zu arbeiten?

Christian Thoelke: Ich habe die Freude an der Malerei eigentlich erst zum Ende meiner Studienzeit wiederentdeckt, als ich nochmal ein Meisterschülerstudium an der HGB in Leipzig absolviert hab. Da ging es gerade los mit dem Hype und der Aufbruchsstimmung um die Leipziger Schule, das war eine ganz andere Atmosphäre, als ich sie aus Berlin kannte, viel frischer und moderner, und es war natürlich auch cool zu sehen, dass es möglich ist, damit Geld zu verdienen.

Wie war es denn in Berlin?

Christian Thoelke: Von den Studenten, die in den Neunzigern fertig wurden, haben sich nur sehr wenige später etablieren können. Diese verlorene Generation von Künstlern ist ein Thema für sich. Das lag nicht an ihren Fähigkeiten, sondern an den Strukturen, den fehlenden Netzwerken. Sie entscheiden darüber, wo und mit wem du ausstellst, und ob du überhaupt wahrgenommen wirst. Die Grundlage dafür wird eben meist schon im Studium angelegt, unter den Studenten, die sich später als Künstler gegenseitig unterstützen. Wichtig ist auch das Verhältnis zu den Professoren, die einen, wenn es gut läuft, zu Beginn protegieren können.

Wie schafft man es, wahrgenommen zu werden, wenn man diese Netzwerke nicht hat? Wie haben Sie es geschafft?

Christian Thoelke: Ich habe mir das nach dem Studium Stück für Stück aufgebaut. Ich habe zwar einen großen Freundeskreis in Berlin, aber nur ganz wenige kommen aus dem Kunstbetrieb. Das war bei meiner Mutter anders, sie kam als junge Frau neu in die Stadt, kannte hier keinen. Bei ihr verknüpfen sich immer noch Freundschaften mit Netzwerken aus DDR-Zeiten und sogar noch aus der Studienzeit.

Also hat Ihnen das Ost-Netzwerk Ihrer Mutter geholfen?

Christian Thoelke: In gewisser Weise schon. Ein Freund meiner Eltern, der zu DDR-Zeiten im Verband Bildender Künstler gearbeitet hat, hat als Erster meine Arbeiten in seiner Galerie am Gendarmenmarkt gezeigt, wovon zwei Bilder auch an eine Sammlung verkauft worden sind. Die Ausstellung, die ich gerade vorbereite, geht am Ende auch darauf zurück. Also ja, punktuell hat das geholfen.

Bärbel Thoelke: Das war noch die Verbandsstruktur aus DDR-Zeiten. Man konnte zusehen, wie das auseinanderfiel. Jeder hatte auf einmal große existenzielle Angst.

Christian Thoelke: Ihr wart ja alle Konkurrenten auf einmal.

Bärbel Thoelke: Es gab dieses irrsinnige Konkurrenzverhalten. Es hieß: Das kann ich dir nicht zeigen, das geht nicht, und nur nichts fotografieren. Zu DDR-Zeiten hat man sich in Werkstätten, Verbandssitzungen oder der Quadriennale in Erfurt getroffen, konnte sich vergleichen, austauschen. Man konnte auch produzieren, was nicht marktgängig war. Unser alter verschollener Staat hat sich um die Arbeitsbedingungen freiberuflicher Künstler eine Menge Verdienste erworben. Es gab Bezirkskunstausstellungen für jeden, der zum Verband gehörte. Nach der Wende brauchte man eine Galerie. Ich habe zum Glück nach 2000 eine gefunden, die mich bis heute betreut und mir die Zusammenarbeit mit der Porzellanmanufaktur Meissen, der KPM und der Manufaktur Augarten in Wien ermöglicht.

Christian Thoelke: Mir fällt es unheimlich schwer, mit Blick auf den Markt zu produzieren. Ohne Freiraum geht es bei mir nicht. Ich habe nach dem Studium in Bars oder beim Messebau gearbeitet, um das Geld zu verdienen, das ich brauchte, um weiter malen zu können.

Wann haben Sie begonnen, leere Landschaften zu malen?

Christian Thoelke: So ungefähr 2008. Ich war damals Mitte 30, steckte in einer Krise, und mit einem Mal kamen diese Fragen nach Identität nochmal völlig neu hoch. In meinen Bildern von leeren, aufgegebenen Räumen habe ich einen Weg gesehen, mich damit auseinanderzusetzen. Dieses typische Wellendach der Schwimm- und Kaufhallen, das überall im Osten anzutreffen ist, war für mich so ein Symbol, Teil eines kollektiven Gedächtnisses.

Haben Plattenbauten heute wieder ein besseres Image?

Christian Thoelke: Ich glaube schon, dass man das jetzt anders wahrnimmt. Auch, weil jetzt eine Generation von Ostdeutschen in einflussreiche Positionen kommt, die anders auf die Dinge schaut. Und weil wir ja wieder vor dem Problem stehen, in kurzer Zeit Wohnraum für viele Menschen schaffen zu müssen. Auch der Westen steht vor großen Problemen, auch hier kommt jetzt an, was in den Neunzigern bei uns mit Wucht angekommen ist. Durch Strukturwandel und Globalisierung. Denken wir nur ans Ruhrgebiet oder in den USA an eine Stadt wie Detroit.

Wie würden Sie die zerfallende Gesellschaft im Westen auf Bildern darstellen?

Christian Thoelke: Gar nicht so viel anders. Am Ende ist das, was in den Bildern verhandelt wird, keine rein ostdeutsche Thematik, das wäre mir zu eindimensional. Ich versuche, mit Räumen und Sehnsüchten zu spielen, die nicht wirklich erreichbar sind. Wie bei meinem Bild von dem Plastestuhl vor der Südsee, die erst auf den zweiten Blick als Werbetafel erkennbar ist. Es ist ja eine Form von Unfreiheit, wenn du die finanziellen Mittel nicht hast, um reisen zu können.

Gibt es heute überhaupt noch so etwas wie Ost-Kunst?

Christian Thoelke: Ich denke, solange es Künstler gibt, die im Osten sozialisiert sind, wird es sie in gewisser Weise geben, weil in ihrer Vorstellung von künstlerischer Arbeit die Zwänge des Marktes keine Rolle gespielt haben. Wenn man heute zum Tag der Offenen Tür an Kunsthochschulen geht, sieht man, dass die Studierenden schon früh verinnerlicht haben, dass sie davon leben müssen. Neben dem Kunstwerk ist dann gleich der Link zu Instagram angegeben.

Hasso Plattner, der Unternehmer und Mäzen, der das Museum Barberini und das Minsk in Potsdam eröffnet hat, hat zwei Ihrer Bilder gekauft. Wie kam es dazu?

Christian Thoelke: Die Gründungsdirektorin Paola Malavassi hat schon während der Bauphase vom Minsk Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers besucht, deren Arbeit thematisch zum Programm des Hauses passen könnte: ostdeutsche Kunst in einem rekonstruierten Bau der Ostmoderne. So ist es zum Ankauf meiner Arbeiten gekommen, die jetzt in der Ausstellung zu sehen sein werden. Für mich ist das ein absoluter Glücksfall. Der Kurator Kito Nedo, der selbst aus Leipzig kommt, sagt, dass die Ausstellung schon im Vorfeld auf große Resonanz stößt. Es gibt offensichtlich viele Menschen im Kulturbetrieb mit Bezügen zu Ostdeutschland, die das aber nie thematisiert haben. Es scheint ein gesellschaftliches Thema zu sein.

Was genau?

Christian Thoelke: Herkunft. Und der selbstbewusste Umgang mit ostdeutschen Perspektiven und Biografien. Künstler haben das Bedürfnis sich mit ihrer Prägung und Geschichte in irgendeiner Form auseinanderzusetzen und es gibt ein Publikum, das seine Lebensrealität und Erfahrungen
in Ausstellungen wiederfinden will.

Bärbel Thoelke: Es geht um eine festgesetzte Meinung, die es zu lange gab.

Wie meinen Sie das?

Bärbel Thoelke: Die Westdeutschen haben die ganze Zeit gehört, was wir für merkwürdige Leute sind. Und sie lassen nicht davon ab, mir mein Leben zu erklären. Ich kenne das auch von Schulfreunden, die in den Westen gegangen sind. Was soll denn das?

Kurz nach der Eröffnung in Potsdam beginnt eine Ausstellung in Berlin von Ihnen, Herr Thoelke. Zum ersten Mal sind Sie dafür selbst zum Kurator geworden.

Christian Thoelke: Ja, ich zeige dort im Rahmen der Art Week meine Architekturbilder im Dialog mit Stadtansichten aus der Sammlung der Berliner Volksbank. Da sind auch viele Ost- Berliner Künstler vertreten, mit deren Arbeiten ich quasi aufgewachsen bin.

Wie kommt es, dass ausgerechnet die Berliner Volksbank Bilder von Ihnen in ihrer Sammlung hat?

Christian Thoelke: Die Stiftung hat eine große Sammlung von Kunst aus der DDR und schon vor 40 Jahren Heisig, Tübke, Mattheuer über den Kunsthandel eingekauft. Viele westdeutsche Sammler hatten schon zu DDR-Zeiten eine Affinität zu ostdeutscher gegenständlicher Malerei, in deren Tradition ich mich ja auch bewege.

Bärbel Thoelke: Willst du von dem Teegeschirr erzählen?

Christian Thoelke: Im Prinzip hat diese Ausstellung auch mit dem Netzwerk meiner Eltern zu tun. Die ehemalige Kuratorin von der Volksbank-Stiftung kannte meine Mutter. Sie wollte ein Teegeschirr von ihr abholen, und dabei haben wir uns getroffen. Danach hat sie sich im Internet angesehen, was ich so mache.

Sind Sie stolz auf Ihren Sohn, Frau Thoelke?

Bärbel Thoelke: Ja, er guckt richtig. Alles geht in seinen Kopf, da geht es drunter und drüber, und irgendwann kommt was Ordentliches heraus. Außerdem kann er malen, und das hast du nicht so oft.

Berliner Zeitung
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Bärbel & Christian Thoelke im Interview - Part 1

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Bärbel & Christian Thoelke im Interview - Part 2

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